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WALKING – Denken in Bewegung.

Lucius Burckhardt und die Zukunft der Wahrnehmung

Symposium + Walkshops
5.-7. Sept 2025

Berghotel Alpenblick, Tenna, Safiental (CH) + hybrid

> Programm + Summaries (Talks & Workshops)
> Videos of all Talks + Doku Walkshops 

Eine transdisziplinäre Tagung zu Gehen als künstlerische Praxis, räumliche Erfahrung und erkenntnisstiftende Methode im Geist von Lucius Burckhardt.

2025 jährt sich der 100. Geburtstag von Lucius Burckhardt, dem Begründer der Promenadologie (auch Spaziergangswissenschaft). Doch der Anlass ist weit mehr als ein historisches Gedenken: In einer Gegenwart, die von Ökokrise, Urbanisierungsdruck und digitaler Raumüberformung geprägt ist, gewinnt sein Denken neue Brisanz. Burckhardts Ansatz, das Gehen als epistemische Praxis ernst zu nehmen, lässt sich heute als Einladung zur kritischen Weltwahrnehmung lesen. WALKING wird zur Methode, um jene Gestaltungen zu hinterfragen, die als «natürlich» erscheinen, und zur Praxis, in der Raum, Körper und Machtverhältnisse sichtbar werden.

Der Spaziergang war für Burckhardt kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zur Infragestellung von Sichtweisen. Wir sehen nicht die Landschaft, so seine These, sondern unsere eigenen Erwartungen. In einer von schnellen Planungsprozessen, algorithmischer Navigation und globaler Beschleunigung geprägten Welt stellt die Promenadologie eine verlangsamende Gegenbewegung dar: ein Denken in Bewegung, ein Innehalten durch Gehen.

Aktuelle Positionen aus Kunst, Philosophie und Sozialwissenschaft greifen diesen Impuls auf und führen ihn weiter. Tim Ingold spricht von «slow observation» als ökologischer Methode. Blake Morris, Cristina Maldonado oder Janet Cardiff erforschen in der Walking Art das Gehen als performativen, raumproduzierenden Akt. Rebecca Solnit beschreibt das Gehen als eine zutiefst kognitive Praxis: „Der Rhythmus des Gehens erzeugt eine Art Rhythmus des Denkens, und der Gang durch eine Landschaft stimuliert eine Reihe von Gedanken“.
Das Gehen erzeugt demnach nicht nur Bewegungen im Raum, sondern auch Bewegungen des Denkens. Gleichzeitig weisen Stimmen wie Sara Ahmed oder Anna Tsing darauf hin, dass Gehwege nicht für alle gleich offenstehen: Raum ist nie neutral, Gehen nie universal.

Die Relevanz Burckhardts liegt heute weniger in seinen konkreten Antworten als in seiner Methode des Zweifelns: der Einladung, Wahrnehmung als gestaltbare und gestaltende Kraft zu begreifen. Wer diese Haltung ernst nimmt, erkennt: WALKING ist keine Flucht aus der Welt, sondern ein Mittel, sie zu verstehen, zu verändern, neu zu imaginieren.

Doch was heißt das heute, wo Gehen überwacht, kanalisiert und vermessen wird? Wie können wir Burckhardts Gedanken in eine Zeit überführen, in der das Gehen zugleich Protestform, Selbstsorge, Mobilitätspraxis und künstlerisches Medium ist? Vielleicht lautet die eigentliche Frage nicht mehr: «Warum ist Landschaft schön?», sondern: Wie können wir in einer fragmentierten Welt neu wahrnehmen lernen – durch Bewegung, durch Aufmerksamkeit, durch Geh-Widerstand?

Themen und Formate
Die Tagung bietet Gelegenheit, WALKING aus künstlerischer, wissenschaftlicher, gestalterischer oder aktivistischer Perspektive zu erleben, mitzugestalten und sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Wir setzen auf vielfältige Formate, die die klassische Vortragssituationen erweitern: möglich sind performative Walks, Lecture Performances, Walkshops, Audiospuren sowie theoretische Reflexionen. Die Tagung zeichnet sich durch einen hohen Praxis-Anteil aus. Neben 2 Keynotes und 9 Kurzinputs werden auch 6 Walkshops angeboten. Ein wesentlicher Teil findet auch draussen in der Landschaft und im Gehen statt.

Speakers und Workshops
Othmar Arnold / Linard Bardill / Nitin Bathla / Lisa Lee Benjamin / Annemarie Bucher / Violeta Burckhardt / Gabriyel Dari / Babak Fakhamzadeh / Samuel Haettenschweiler / Johannes M. Hedinger / Pablo Helguera / Hanna B. Hölling / Tim Ingold / Johanna Just / San Keller / Marie-Anne Lerjen / Marinka Limat / Marcus Maeder / Jana Orb, Mingyue Zhang / Martin Ott / Raimund Rodewald / Elisa Storelli / Aylin Tschoepe / Nazli Tümerdem / Robin Winogrond u.a.

Organisatorisches
Die Tagung findet von Freitag, 5. September 2025, 16 Uhr – bis Sonntag, 7. September 2025, 16 Uhr in Tenna im Safiental (GR) und teils hybrid statt.
Ein zweiter Teil ist für den Frühling 2026 in einem urbanen Setting geplant.
Die Veranstaltung wird vom ILEA Institute for Land and Environmental Art organisiert.
Kuratorium/Moderation: Violeta Burckhardt, Johannes M. Hedinger, Raimund Rodewald.
Die Tagung wird unterstützt von der Stiftung Lucius und Annemarie Burckhardt, der Stiftung Landschaftsschutz  Schweiz und der Stiftung Mercator Schweiz.
Eine Auswahl der Beiträge werden 2026 in die Publikation «WALKING» einfliessen, die bei ILEA Press erscheinen wird.

Teilnahme
Die Tagung ist ausgebucht. Ein Teil der Talks wird auch hybrid angeboten, nicht aber die Work-/Walkshops.

ILEA – Institute for Land and Environmental Art, www.ilea.art
studio erde, https://www.studio-erde.com/
Lucius und Annemarie Burckhardt Stiftung, www.lucius-burckhardt.org

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Zielgruppen der Tagung
Für wen ist die (Wieder-)Entdeckung Burckhardts ein Gewinn?

  • Für Künstler:innen, die mit Raum, Körper, Wahrnehmung arbeiten.
  • Für Forscher:innen, die Gehen als Methode praktizieren – in Anthropologie, Soziologie, Psychologie und Philosophie.
  • Für Städteplaner:innen und Gestalter:innen, die Fragen nach dem Raum und der Nutzer:innenwahrnehmung ernst nehmen.
  • Für Aktivist:innen, die den öffentlichen Raum als politischen Raum verteidigen.
  • Für Lehrende und Lernende, die neue Lern- und Denkformen suchen – draußen, gehend, fragend.

Burckhardt zu lesen – oder besser: ihn zu begehen – bedeutet heute, sich einer Haltung zu nähern, die radikal offen, beobachtend und nicht-wissend ist. Es ist ein Gegenentwurf zur hektischen Expertenkultur. Und ein Versprechen: Dass durch aufmerksames Gehen eine andere Welt sichtbar wird.

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Themenfelder – Kurzbeschreibung

  1. Gehen als künstlerische, forschende und soziale Praxis
    Gehen als künstlerische, epistemische und partizipative Methode: Spaziergänge als Performances, Lecture Walks, Walkshops, Storytelling, Spurenlesen, Schreiben im Gehen und Gehen als soziale Choreografie. Gehen wird zur kreativen und gemeinschaftsstiftenden Praxis, die neue Erkenntnisse und Erfahrungen ermöglicht.
  2. Gehen als ökologische Praxis und Landschaftsbegegnung
    Wie verändert Gehen unser Verhältnis zur Umwelt? Das Gehen wird als Mittel der ökologischen Wahrnehmung, der Landschaftsbegegnung und als nachhaltige Mobilitätsform verstanden. Es geht um das Fährtenlesen, die Begegnung mit nicht-menschlichen Akteur*innen (Tiere, Flüsse, Territorien) und das Gehen als Klima- und Umweltpraxis.
  3. Gehen, Erinnerung und Geschichtsräume
    Spaziergänge als Formen der aktiven Erinnerung, Geschichtserfahrung und Spurensuche. Gehen wird als Methode der Erinnerungskultur, der biografischen und kollektiven Erzählung, sowie der Auseinandersetzung mit lokalen und globalen Geschichtsräumen verstanden.
  4. Gehen als politische, fürsorgliche und widerständige Praxis
    Gehen als Protestform, Care-Practice und alltägliche Widerstandsbewegung. Im Fokus stehen Fragen nach Flucht, dem Recht auf Bewegung, der Überschreitung von Grenzen (geografisch, politisch, sozial) und dem Gehen als solidarischer, politisch motivierter Handlung.
  5. Wahrnehmung, Raum und Macht – feministische, dekoloniale und inklusive Perspektiven
    Wer darf wann, wo und wie gehen? Gehen ist nie neutral. Dieses Feld beschäftigt sich mit den Machtverhältnissen im Raum, feministischen, queeren und dekolonialen Perspektiven sowie mit Fragen der Zugänglichkeit, Körperlichkeit, Gesundheit und Inklusion. Es geht um Geh-Rechte, Sichtbarkeit und Barrieren im öffentlichen Raum.
  6. Digitale Mobilität und die Zukunft des Gehens
    Wie beeinflussen digitale Technologien unser Gehen? Dieses Feld thematisiert Gehen in der datenbasierten Stadt, Smart Walking, Gamification (z. B. Geocaching, Walking Games), Tracking, digitale Navigation und Überwachung. Gehen wird als hybrides Phänomen zwischen physischer Bewegung und digitaler Steuerung untersucht.
  7. Promenadologie heute – Wahrnehmung neu lernen
    Lucius Burckhardts Spaziergangswissenschaft als zeitgemäße und zukunftsrelevante Wahrnehmungsschule: Wie lässt sich die Promenadologie in Zeiten von Smart Cities, Klimakrise und KI neu denken und anwenden? Dieses Feld lädt zu kritischen Erweiterungen, praktischen Erprobungen und theoretischen Neu-Lesungen der Spaziergangswissenschaft ein.

ILEA INSTITUTE FOR LAND AND ENVIRONMENTAL ART
Höhenring 9, 8052 Zürich, Switzerland
info@ilea.art

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